„Alles senkrecht?“ – Vertikalräuber aus Holland!

 

Unsere Nachbarn betreiben es schon seit langer Zeit. Wir Deutschen kommen erst langsam auf den Geschmack des Vertikalfischens. Aber wie immer viel zu spät!

 

Warum gerade die Holländer diese Technik so ausgeprägt haben, liegt auf der Hand. Unzählige Gewässer, reich an Raubfischen,  Angelgesetzte und Vorschriften, die einen gerade zum Angeln verpflichten.

Wo ist es sonst möglich mit einer Erlaubniskarte eines Verbandes über 100 Gewässer zu befischen? Und das bei einem Kostenfaktor von rund 30 €/ JAHR! Auch die Auflagen für das Bootsfischen ähneln in keiner Weise den unseren. In den Niederlanden darf man bereits ab einen Alter von 16 Jahren ein Boot steuern, das nicht schneller ist als 20 km/h und man darf sogar mit diesem Boot fast überall angeln!

 

Als Uferangler in Deutschland ist man schon erfolgreich, wenn man nicht als „Schneider“ nach Hause geht. Spezis schaffen es auf 5-10 Zander am Tag, zumindest bei uns am Niederrhein.

Wenn man dann von Fängen von 30, 40 auch 100 Stück pro Person hört, will man es einfach nicht glauben! Aber diese sind tatsächlich wahr!

 

Dieses Jahr hat sich mit dem Kauf unseres Bootes der Angelhorizont etwas ausgeweitet. Und auf einmal war die Möglichkeit da, den Zander auch im Winter erfolgreich nachzustellen. O.k. als wir uns die Technik von einen eingeweihten erklären ließen, waren wir mehr als skeptisch. Unsere Erfahrungen über Ködergröße; Gewicht und Führung wurden einfach mal so auf dem Kopf gestellt: „...ganz kleine Shads müsst Ihr nehmen, nicht größer als 10 cm! Blei! Viel Blei sollte da dran. 17, 21 oder noch mehr Gramm ist gerade richtig! Die Köderführung ist auch entscheidend: so langsam wie möglich bis gar nicht!“

Tja, entweder wollte er nicht, dass wir was fangen oder es ist wirklich eine andere Welt. Da wir unserer Quelle vertrauten, war erst mal Einkaufen angesagt: neue Minifische und schwere Jigköpfe. Auf einmal hieß es, dass wir mit unseren tollen Ruten so nicht angeln könnten. „Hier ich zeige Euch mal welche Ruten die richtigen sind.“ Sekunden später hatte jeder eine Rute, die höchsten nur das Oberteil meiner leichtesten Spinnrute sein könnten. Ja o.k., ein Griffstück war auch noch dran!  1,90 m mit 10-15 g Wurfgewicht dazu eine 1000er Rolle!

Wir kamen uns vor, als ob wir wieder 10 Jahre alt wären und der gute Onkel hätte uns eine für uns passende Rute gekauft. Langsam wurde unser Vertrauen ausgereizt, aber manchmal muss man etwas riskieren um erfolgreich zu sein. So kauften wir uns eine komplette Vertikalausrüstung, ohne davon wirklich überzeugt zu sein. 

 

Das erste Mal am Wasser haben wir es sofort verstanden! Die Rute ist äußerst sinnvoll, um feinfühlig den Köder neben den Boot anbieten zu können. Eine kleine Rolle ist verständlich, da man Gewicht sparen sollte, man gibt das Gerät den ganzen Tag nicht aus der Hand, und da man damit nicht werfen muss, ist es keines Falls ein Nachteil. Kleine Köder, sollten gewählt werden, damit der Wasserwiderstand so gering wie möglich ist und schwere Köpfe damit man trotz einer langsamen Fahrt möglichst senkrecht angeln kann. Eben vertikal!

O.k. unser Freund hat das Vertrauen wieder zurückgewonnen!

 

Aber was ist an den Erfolgen dran? Wir angelten einige Zeit ohne Biss! 3 unerfahrene Vertikalangler im Boot und jeder zweifelte mehr an dem was er tat, als der andere.

Biss! Der erste Fisch! Marius konnte den ersten Biss verwandeln. Ein halbstarker Zander hat das Tageslicht gesehen. Nichts großes aber der erste Fisch ist immer toll. Kaum zurückgesetzt hatte Marius schon den zweiten an der Angel. Es geht los! Wir haben die richtige Tiefe gefunden und unsere Freunde waren in Beißlaune. Nach einigen Fehlbissen hatte jeder seinen Zander gefangen und natürlich überglücklich, dass es funktioniert hat. Was heißt funktioniert, es war ein Erfolgsrausch. Denn die Zander haben sehr gut gebissen, teilweise 2, 3 Mal hintereinander, wenn der Anhieb nicht saß! Damian könnte nur die wenigsten Bisse verwandeln. Natürlich haben wir ihn etwas aufgezogen, nach den wir schon rund 15 Zander hatten. Sein Kommentar: „Ich fange lieber weniger, aber dann einen richtigen.“ Wenige Minuten später war Marius wieder mit einem Zander beschäftigt, als wir nach dem Zurücksetzten wieder auf Damian schauten, stand er da mit einer gekrümmten Rute. Ein 90er Hecht hat seinen 9 cm Shad voll inhaliert. Wäre ein schönes Bild geworden, nur leider ist der Hecht aus Damians Hand gerutscht und bevor wir ihn fotografieren konnten, verschwand er in der Tiefe. That´s life!

Wir haben uns einen sehr guten Tag für den ersten Versuch ausgesucht, denn die Fische waren fast ganztägig in Fresslaune und so konnten wir 35 Zander + 1 Hecht erwischen und mind. 100 Bisse verbuchen. Wenn man bedenkt, was möglich wäre, wenn wir gewusst hätten, was wir da treiben.???

 

Nach diesem Tag war jegliche Skepsis verschwunden und wir konnten unserer Begeisterung für die Angelart kaum in Zaun halten. Seit dieser Tour haben wir noch keinen Tag gehabt, an dem die Zander so gut gebissen haben. Aber durch wachsende Erfahrung konnten wir die Bissausbeute erhöhen, so dass Fänge zwischen 5 und 15 Fischen pro Mann immer möglich waren.

 

Worauf sollte man besonders achten?

Wichtig ist das der Köder immer Grundkontakt hat und das an der strafen Schnur. Der Winkel der Schnur zu Wasseroberfläche sollte so steil wie möglich sein, ansonsten verliert man den Köderkontakt. Ist es nicht der Fall, musst die Drift reduziert werden oder ein höheres Gewicht gewählt werden. Aufgrund des Bleikopfes können die Zander den Shad nicht richtig einsaugen, daher ist ein Zusatzdrilling immer notwendig. Die Bisse kommen manchmal sehr hart aber auch ganz sanft. Beide sollte man verwerten können, daher ist volle Konzentration und ein sofortiges Anschlagen angesagt. Aber auch der schnellste Anhieb verwandelt nicht jede Attacke. Es ist nichts besonderes, wenn man beim Vertikalangeln nur 30 % der beißenden Fische fängt. Durch Erfahrung, Konzentration und Schnelligkeit kann man die Quote erhöhen.

 

Die guten Fänge und die hohen Bestände sind nicht unerschöpflich, das sollte jedem klar sein! Daher ist ein sinnvoller Umgang mit den gefangen Fischen ein Muss! Stark verletzte Fische müssen natürlich mitgenommen werden, dass dürfte aber nicht mehr als 1 oder 2 Stück sein. Der Rest sollte sich über seine zurückgewonnen Freiheit freuen und der Angler über größer werdende Fische!

 

Zu dem schonenden Umgang mit den Räubern gehört auch ein Zeitlupen-Drill. Im Winter werden die Fische in Tiefen bis zu 25 Metern gefangen. Wer schon mal im Schwimmbad bis zum Grund getaucht ist, weiß wie schwer es ist den Druck auszugleichen und das bei einer Tiefe von 4 Metern! Der Drill kann ruhig auch bei einen kleinen Fisch einige Minuten dauern. Diese Zeit braucht er auch für den Ausgleich. Alles andere ist eine Qual für das Tier! Das ist leicht an den hervorstehenden Augen (was noch undramatisch ist) und an der Schwimmblase des Fisches zu erkennen. Diese Qualen hat kein Fisch verdient!

 

Allen die jetzt auf den Geschmack gekommen sind, wünschen wir viel Vergnügen bei den ersten Drill eines kapitalen Räubers mit einer Kinderangel!